Evaluation in der Radikalisierungsprävention

Evaluation hilft uns, zu verstehen, wie die Prävention von Radikalisierung und Extremismus im gesellschaftlichen Kontext wirkt. Sie soll Antworten auf die häufig gestellte Frage nach den sichtbaren Erfolgen von Prävention liefern. Allerdings werden an Evaluation teils überzogene Erwartungen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Durchführbarkeit gestellt. Das berechtigte Interesse an belastbaren Wirksamkeitsnachweisen stößt bei der Planung und Umsetzung von Evaluationsstudien im Bereich Deradikalisierung, Distanzierung und Prävention von Radikalisierung häufig auf beträchtliche Schwierigkeiten.

Ein Ziel ist es, einige Ansätze für die Evaluierung der Effekte von Präventionsmaßnahmen im Bereich der Radikalisierungsprävention, Deradikalisierung und Demobilisierung vorzustellen und zu diskutieren. Auch wird nach den Qualitätsmerkmalen und Standards der Evaluationsforschung gefragt. Gütekriterien helfen den Auftraggebern und Adressatinnen von Evaluationsstudien, deren Verlässlichkeit und Aussagekraft abzuschätzen.

Aus den Untersuchungen wird deutlich, dass die Idee einer „evidenzbasierten“ Prävention nur dann funktionieren kann, wenn die Evaluationsforschung sich der Eigenheiten, Widersprüche und Kontroversen in Wissenschaft und Praxis bewusst ist und diese kritisch reflektiert. Dazu bedarf es unter anderem einer Klärung umstrittener Begriffe wie Radikalisierung, Prävention (von Radikalisierung) und Evidenzbasierung (der Prävention von Radikalisierung). Evidenzbasiert meint in diesem Kontext, dass Maßnahmen zur Verhinderung von sozialen Problemen auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt, implementiert und evaluiert werden. Weil Prävention zeitlich und in Bezug auf die Zielgruppe endlos ausgeweitet werden kann, ergibt sich aus konzeptioneller und normativer Sicht die Frage, wo die Prävention (von Radikalisierung) anfangen und aufhören soll.

Die Studie

PRIF Report 11/2018
Evaluation in der Radikalisierungsprävention: Ansätze und Kontroversen
Andreas Armborst // Janusz Biene // Marc Coester // Frank Greuel // Björn Milbradt // Inga Nehlsen

[Download PRIF Report 11/2018]

Der Film (UT DE/EN)

Film "Evaluation in der Radikalisierungsprävention" |  Länge 6"30' |  Realisation Philipp Offermann mit Manuel Steinert // Lilli Kannegießer |  Untertitel Philipp Offermann |  HSFK 2018

Handlungsoptionen

  1. Klarer Auftrag. Eine unklare Auftragslage kann im Ergebnis zu schlechten Evaluationen führen. Der Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin einer Evaluation sollte daher in der Ausschreibung klar artikulieren, welche Art der Evaluation er bzw. sie sich wünscht.
  2. Evaluation ist kein Automatismus. Eine Pflicht zur Evaluation ist wünschenswert. Wirkungsorientierte Evaluationen sind aber nur dann sinnvoll, wenn, erstens, eine präzise Bestimmung des Präventionsgegenstands, der Präventionsebenen und der Präventionsziele sowie der Projektlogik (Wirkmechanismen) erfolgt; zweitens, das Erkenntnisinteresse einer Evaluationsstudie in Abstimmung mit den Beteiligten formuliert ist und, drittens, ausreichend finanzielle Mittel für eine gegenstandsangemessene Evaluation vorgesehen sind.
  3. Geduld haben. Schnelle Ergebnisse sind weder in der Prävention noch bei deren Evaluation zu erwarten. Förderer sollten daher sowohl die Präventionsarbeit als auch deren Evaluation langfristig ausrichten und mit entsprechenden Mitteln ausstatten.
  4. Berücksichtigung aller relevanten Daten. Alle relevanten Projektdaten sollten für die Evaluation nutzbar sein. Oft liegen die wesentlichen Daten erst nach Projektabschluss vollständig vor, wünschenswert ist daher, die programmbegleitende Evaluation über das Ende der Maßnahme hinaus zu fördern.
  5. Methodenpluralismus. Für die Evaluation von Radikalisierungsprävention gibt es kein Patenrezept. Welche empirischen Methoden der Sozialforschung für eine Evaluation geeignet sind, hängt vom konkreten Erkenntnisinteresse und dem Gegenstand der Evaluation ab.
  6. Reflexivität. Politik, Gesellschaft und Evaluationsforschung sollten sich darüber im Klaren sein, dass Evaluationsvorhaben nicht einfach „neutral“ und „extern“ auf die Praxis blicken. In jedem Fall formen sie ein Stück weit auch ihren Evaluationsgegenstand mit, beispielsweise durch die Wahl des Untersuchungsdesigns. Daraus resultiert für alle Akteure die Notwendigkeit, sich mit dieser Komplexität reflexiv auseinanderzusetzen.

Beteiligte Personen

Koordination

  • Andreas Armborst
    Nationales Zentrum für Kriminalprävention (NZK), Bonn & Bundesministerium des Innern, Berlin

Team

  • Janusz Biene
    Integrationsbüro Kreis Offenbach
  • Marc Coester
    Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
  • Frank Greuel
    Deutsches Jugendinstitut, Halle
  • Björn Milbradt
    Deutsches Jugendinstitut, Halle
  • Inga Nehlsen
    Nationales Zentrum für Kriminalprävention, Bonn